Persönlichkeitsstörungen
Was sind Persönlichkeitsstörungen?
Persönlichkeitsstörungen sind tief verwurzelte und langfristige Muster von Denken, Fühlen und Verhalten, die von der Norm abweichen und zu Beeinträchtigungen im persönlichen, sozialen und beruflichen Leben führen können. Diese Störungen betreffen die Art und Weise, wie Menschen mit sich selbst, anderen und ihrer Umwelt interagieren.
Die genauen Ursachen von Persönlichkeitsstörungen sind nicht vollständig bekannt, es wird jedoch angenommen, dass eine Kombination von genetischen, neurobiologischen und Umweltfaktoren eine Rolle spielt.
Hier sind einige Faktoren, die bei der Entstehung von Persönlichkeitsstörungen eine Rolle spielen können:
Genetik: Es gibt Hinweise darauf, dass genetische Veranlagungen eine Rolle bei der Anfälligkeit für Persönlichkeitsstörungen spielen können. Menschen, deren Familien eine Geschichte von psychischen Störungen haben, könnten ein höheres Risiko haben.
Neurobiologische Faktoren: Ungleichgewichte in bestimmten Neurotransmittern oder Strukturen im Gehirn könnten mit Persönlichkeitsstörungen in Verbindung stehen. Diese können genetisch bedingt oder auf Umweltfaktoren zurückzuführen sein.
Umweltfaktoren: Traumatische Erfahrungen, Missbrauch, Vernachlässigung oder instabile familiäre Verhältnisse während der Kindheit können das Risiko für die Entwicklung von Persönlichkeitsstörungen erhöhen. Frühe prägende Erfahrungen können langfristige Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung haben.
Psychosoziale Einflüsse: Soziale und kulturelle Faktoren, wie beispielsweise der Druck, bestimmten gesellschaftlichen Normen zu entsprechen, können die Entwicklung von Persönlichkeitsstörungen beeinflussen.
Es ist wichtig zu betonen, dass nicht alle Menschen mit belastenden Erfahrungen oder genetischen Anfälligkeiten automatisch Persönlichkeitsstörungen entwickeln. Die genaue Wechselwirkung dieser Faktoren und wie sie zu bestimmten Persönlichkeitsstörungen führen, ist komplex und oft individuell unterschiedlich. Die Diagnose und Behandlung von Persönlichkeitsstörungen erfordern eine professionelle Einschätzung durch erfahrenes Fachpersonal.
1. Die abhängige Persönlichkeitsstörung
Eine abhängige Persönlichkeitsstörung zeichnet sich durch ein übermäßiges Bedürfnis nach Unterstützung, Sicherheit und Bestätigung von anderen, aus.
Die Betroffenen fühlen sich oft unsicher und hilflos, sie suchen ständig nach jemandem, der die Verantwortung für wichtige Entscheidungen für sie übernimmt. Einige charakteristische Merkmale der abhängigen Persönlichkeitsstörung können sein:
1. Angst vor dem Verlassenwerden:
Betroffene haben starke Ängste, allein gelassen oder verlassen zu werden, sie tun oft viel, um eine Trennung zu vermeiden. Dabei stellen sie oft ihre eigenen Bedürfnisse zurück.
2. Schwierigkeiten bei eigenen Entscheidungen:
Die Betroffenen haben oft Schwierigkeiten, selbstständig Entscheidungen zu treffen. Sie suchen ständig nach Rat und Bestätigung von anderen. Alleine treffen sie selten eine Entscheidung.
3. Selbstwertgefühl, das stark von anderen abhängt:
Das Selbstwertgefühl hängt oft stark von der Zustimmung und Unterstützung anderer ab. Die Betroffenen benötigen oft die Bestätigung anderer.
4. Angst vor Konflikten:
Konflikte werden oft vermieden, um die Beziehung zu erhalten oder nicht zu gefährden. Betroffene neigen dazu, sich anzupassen, um Ablehnung zu vermeiden. Daher werden Konfliktsituationen oft vermieden und Dinge, die einen z.B. ärgern, nicht angesprochen.
5. Bereitschaft, unangenehme Dinge zu ertragen:
Betroffene neigen dazu, unangenehme oder auch missbräuchliche Situationen, sei es durch emotionale Erniedrigung, verbaler oder körperlicher Art zu ertragen, um die Unterstützung von anderen nicht zu verlieren. Wie bei vielen anderen Persönlichkeitsstörungen kann die abhängige Persönlichkeitsstörung das tägliche Leben erheblich beeinträchtigen.
2. Die paranoide Persönlichkeitsstörung
Eine paranoide Persönlichkeitsstörung zeichnet sich durch tief verwurzeltes Misstrauen und Groll aus, eine übermäßige Neigung zur Annahme feindseliger Absichten anderer Menschen. Betroffene haben Schwierigkeiten, Vertrauen zu anderen aufzubauen, sie interpretieren oft neutrale oder sogar wohlwollende Handlungen anderer als feindlich oder bedrohlich.
Einige charakteristische Merkmale der abhängigen Persönlichkeitsstörung können sein:
Misstrauen und Eifersucht:
Betroffene neigen dazu, anderen Menschen grundsätzlich misstrauisch gegenüberzustehen, selbst wenn es keine konkreten Anzeichen für feindseliges Verhalten gibt. In Partnerschaften reagieren sie oft eifersüchtig und unterstellen dem Partner/der Partnerin oft Fremdgehen, Betrug oder Unehrlichkeit.
Überempfindlichkeit:
Sie reagieren oft überempfindlich auf Kritik, Beleidigungen, Ungerechtigkeiten oder vermeintliche Kränkungen. Sie interpretieren normales Verhalten als Angriff und fühlen sich leicht angegriffen. Eine angeblich schlechte Behandlung kann massiven Ärger auslösen.
Rückzug und Selbstbezogenheit:
Menschen mit paranoider Persönlichkeitsstörung ziehen sich möglicherweise sozial zurück, um sich vor vermeintlichen Bedrohungen zu schützen. Sie sind selbstbezogen, besonders in Verbindung mit starker Überheblichkeit.
Kontrollverlust:
Aufgrund des starken Bedürfnisses nach Kontrolle, können sie Schwierigkeiten haben, Verantwortung an andere abzugeben oder sich in Situationen zu begeben, in denen sie sich nicht sicher fühlen.
Verschwörungstheorien:
Betroffene neigen dazu, oft an Verschwörungstheorien zu glauben und zu unterstützen, oder sich auch in komplizierten Rechtstreitigkeiten zu verwickeln.
3. Die narzisstische Persönlichkeitsstörung
Eine narzisstische Persönlichkeitsstörung zeichnet sich durch Selbstverherrlichung, dem Bedürfnis nach Bewunderung und einem Mangel an Empathie für andere aus. Betroffene neigen dazu, ein übermäßiges Interesse an ihrer eigenen Persönlichkeit, ihren Fähigkeiten und ihrem Erfolg zu haben. Sie können Schwierigkeiten haben, die Gefühle und Bedürfnisse anderer angemessen zu erkennen oder darauf zu reagieren.
Einige charakteristische Merkmale der abhängigen Persönlichkeitsstörung können sein:
Grandiosität und Phantasien:
Eine übertriebene Vorstellung von der eigenen Wichtigkeit und übermäßige Selbstbewunderung. Betroffene neigen in hohem Maße dazu, Phantasien von grenzenlosen Erfolg, Macht, Glanz, Schönheit oder Liebe, zu haben.
Glaube an die eigene Einzigartigkeit
Das Gefühl, dass man von anderen besonders oder hoch geschätzt werden sollte und man deshalb bevorzugt behandelt werden sollte. Sie verkehren daher oft nur mit anderen “einzigartigen” Menschen oder suchen spezielle, für sie angemessene Institutionen auf.
Extreme Empfindlichkeit gegenüber Kritik:
Betroffene reagieren oft sehr empfindlich auf Kritik oder Ablehnung und können schnell verletzt oder gereizt sein.Krisenhafte Zuspitzungen mit depressiven Reaktionen können als Folge von beruflichen oder privaten Niederlagen auftreten.
Mangel an Empathie:
Schwierigkeiten, sich in die Gefühle und Bedürfnisse anderer hineinzuversetzen oder angemessen darauf zu reagieren. Sie sind oft neidisch oder glauben, andere sind neidisch auf sie. Oft sind sie prahlerisch, arrogant, überheblich und großspurig und machen andere klein, damit sie sich groß fühlen können.
Selbstverherrlichung
Ihre Grundannahmen lauten “Ich bin etwas Besonderes”, daher steht mir auch eine besondere Behandlung zu oder “Ich bin anderen Menschen überlegen und sie sollten dies auch entsprechend anerkennen”. Wird ihnen diese Sonderbehandlung nicht gewährt, können sie mit großem Ärger oder Aggressionen reagieren.
4. Die zwanghafte Persönlichkeitsstörung
Menschen mit einer zwanghaften anankastischen Persönlichkeitsstörung werden von ihrer Umwelt oft als pflichtbewusste, gewissenhafte, korrekte, aber unflexible, pedantische und eigensinnige Personen wahrgenommen.
Sie orientieren sich stark an Normen, Ordnungen, Systemen, Regeln oder Listen. Übermäßiger Zweifel, Vorsicht und Kontrolle erschweren häufig Entscheidungsprozesse.
Einige charakteristische Merkmale können sein:
Perfektionismus:
Die Betroffenen haben oft extrem hohe Standards und einen starken Drang, Dinge perfekt zu machen. Sie neigen dazu, sich und andere stark zu kritisieren, wenn ihre Leistungen nicht ihren hohen Erwartungen entsprechen. Aufgaben werden nicht fertiggestellt, da ihr Perfektionismus ihnen im Wege steht.
Beispiel: Ich kann meine Arbeit noch nicht abgeben, ich muss noch etwas verbessern, es ist nicht gut genug. Meine Arbeit delegieren? Um Gottes Willen nein...
Übermäßige Ordnung und Sauberkeit:
Die Betroffenen haben oft einen starken Hang zur Ordnung und Sauberkeit und fühlen sich unwohl, wenn Dinge nicht ordentlich, sauber oder an “ihrem Platz” sind. Betroffene können dazu neigen, obsessive Rituale oder Reinigungsverhalten zu entwickeln.
Beispiel: Das Geschirr wurde nicht sofort (in einer bestimmten Reihenfolge) gespült, aufgeräumt und auch sonst stehen Deko und Kissen falsch? Ich gehe nicht ins eher ins Bett, bevor Ordnung herrscht.
Schwarz oder weiß Denken
Die Betroffenen neigen dazu, vieles mit “richtig” oder “falsch” zu bewerten. Selten sind sie dazu in der Lage, auch die Farben zwischen schwarz und weiß wahrzunehmen und auch zu akzeptieren. Sie können dazu neigen, starre Denkmuster zu haben und sich unwohl fühlen, wenn sie keine Kontrolle über ihre Umgebung oder Situation haben.
Beispiel: Entweder ich mache die Sache richtig oder ich mache sie gar nicht. Wenn ich für das Referat nicht Goethes Gesamtwerk lese, taugt meine ganze Arbeit nichts.
Einschränkung sozialer Interaktionen
Die Betroffenen wirken angesichts ihrer fehlenden Spontanität und Ausgelassenheit, ihrer starken Neigung zur Struktur und Kontrolle im zwischenmenschlichen Kontakt oftmals kontrolliert und angespannt.
Sie können sich oft schuldig fühlen, wenn sie nicht produktiv sind. Viele sind zudem “übertrieben” sparsam oder es fällt ihnen schwer, alte Gegenstände wegzuwerfen.
Beispiel: Die alte Jacke wegwerfen? Lieber nicht, ich könnte sie irgendwann noch einmal gebrauchen...
Unflexibilität
Die Betroffenen haben oft Schwierigkeiten, sich an Veränderungen anzupassen oder spontan zu sein.
Sie bevorzugen es, an festgelegten Routinen festzuhalten und fühlen sich unwohl, wenn diese gestört werden.
Beispiel:
Neuer Job und neue Aufgaben? Nein danke, ich verzichte gerne...
Ich soll umziehen? Auf gar keinen Fall! Ich bevorzuge mein gewohntes Umfeld und Umgebung.
Die anankastische zwanghafte Persönlichkeitsstörung unterscheidet sich von Zwangsstörungen, bei denen zwanghafte Verhaltensweisen als Reaktion auf belastende oder angstauslösende Gedanken auftreten können.
Für die Betroffenen besteht ein hohes Risiko, eine weitere psychische Erkrankung zu entwickeln, wie z.B. eine Depression, eine Angststörung oder eine somatoforme Störung.
5. Die ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung
Menschen mit einer ängstlich- vermeidenden Persönlichkeitsstörung haben große Angst vor negativer Bewertung oder Ablehnung in sozialen Kontakten. Sie erleben sich selbst als minderwertig, ungeschickt in Beziehungen und anderen Menschen unterlegen. Oft wirken sie schüchtern und verlegen in Kontakt mit anderen Menschen. Sie vermeiden Konfliktsituationen bzw. Streitigkeiten, berufliche Herausforderungen oder andere risikoreiche Aktivitäten, aus Angst, zu scheitern, lächerlich gemacht, kritisiert oder beschämt zu werden.
Einige charakteristische Merkmale können sein:
Angst vor Ablehnung
Die Betroffenen haben oft eine übermäßige Angst davor, von anderen abgelehnt oder kritisiert zu werden. Diese Angst kann so stark sein, dass sie soziale Situationen vermeiden oder nur unter großem Unbehagen daran teilnehmen.
Beispiel: Da gehe ich nicht hin, die anderen können das viel besser als ich und kritisieren mich dann nur.
Gefühl der Unzulänglichkeit
Die Betroffenen glauben, dass sie nicht gut genug sind, um von anderen akzeptiert zu werden.
Diese Selbstzweifel können ihr Selbstwertgefühl stark beeinträchtigen.
Beispiel: Wenn die anderen wüssten, wie ich wirklich bin, dann geben sie sich nicht mehr mit mir ab.
Empfindlichkeit gegenüber Kritik
Die Betroffenen reagieren oft übermäßig empfindlich auf Kritik oder negative Rückmeldungen. Selbst konstruktive Kritik kann sie stark verunsichern und dazu führen, dass sie sich zurückziehen oder sich verteidigen.
Beispiel: Ich mache doch alles falsch, ich bin echt zu blöd für alles.
Einschränkung sozialer Interaktionen
Die Betroffenen haben oft Schwierigkeiten, enge Beziehungen aufzubauen und aufrechtzuerhalten.
Sie ziehen es vor, oft allein zu sein, sich mit Tieren oder anderen Dingen zu beschäftigen, um die Möglichkeit von Ablehnung zu vermeiden. Dies kann langfristig zu sozialer Isolation führen.
Beispiel: Ich bin eh nicht liebenswert, so wie ich bin.
Vermeidung von Risiken
Die Betroffenen tendieren dazu, Risiken zu vermeiden und sich in Situationen zu bringen, in denen sie sich unsicher oder unwohl fühlen könnten. Sie bevorzugen es, in ihrer Komfortzone zu bleiben, selbst wenn dies ihr Leben einschränkt.
Beispiel: Ich habe keinen Spaß an meiner Arbeit, lieber riskiere ich aber nichts und bleibe dort. Woanders ist es sicherlich auch
nicht besser. Auf einen anderen Kontinent reisen ohne die Sprache zu sprechen? Lieber nicht...